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Trendbarometer-Umfrage: Das "neue Normal" am Immobilienmarkt: Kosten steigen, Renditen unter Druck
26. April 2023
Zinsniveau und Baukosten prägen das Immobilienjahr
Nichts hat die Immobilienbranche in den vergangenen zwölf Monaten so sehr bewegt, wie die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank, die in einer lange nicht gesehenen Schnelligkeit und mit großem Ausmaß kamen sowie die daraus resultierende Verteuerung von Kreditkosten. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass bei der Frage nach den prägendsten Faktoren das Zinsniveau von allen Befragten angekreuzt und somit einen Zustimmungswert von 100% erreicht - ein Novum in der neunjährigen Geschichte der Trendbarometer-Umfrage. Weitere bestimmende Faktoren sind die Baukosten mit 73% Zustimmung, gefolgt von politischen Rahmenbedingungen (58%) und der Kaufpreisentwicklung (46%). Der Krieg in der Ukraine wird lediglich von 11% der Befragten als bestimmender Faktor gesehen, die Wirtschaftskrise folgt mit 9%, die demografische Entwicklung mit 2% und andere exogene Schocks mit 1% Zustimmung. Deutschland als "sicherer Hafen" findet sich mit 0% Zustimmung auf dem letzten Platz ein und zeigt einen deutlichen Rückgang zu früheren Umfrageergebnissen. Unseres Erachtens bedeutet dies jedoch nicht, dass Deutschland seine Rolle als sicherer Immobilien- und Investitionsstandort verloren hat. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass andere Faktoren in ihrer Wichtigkeit und Präsenz so massiv zugenommen haben, dass es zu Überlagerungseffekten kam. Diese Annahme wird auch durch die hohen Zustimmungswerte der ersten vier platzierten Faktoren unterstützt.
Wohnflächenbedarf gleichbleibend
41% der Befragten gehen mittel- bis langfristig von einem gleichbleibenden Wohnflächenbedarf pro Person aus, wohingegen 32% einen sinkenden Wohnflächenbedarf erwarten. Einen zunehmenden bis stark zunehmenden Wohnflächenbedarf prognostizieren 24% der Immobilienfachleute. Diese Frage hatten wir bereits in unserer Trendbarometer-Ausgabe aus dem 2. Halbjahr 2020 gestellt. Damals gingen 56% der Befragten noch davon aus, dass der Platzbedarf pro Person zunimmt, bzw. stark zunimmt. Die damalige Diskussion war noch stark vom Trend hin zum mobilen Arbeiten geprägt und dem Bedürfnis nach einem Rückzugsort für den Arbeitsplatz. Angesichts der aktuellen Diskussionen zum Thema ESG und der steigenden Heizungs- und Energiekosten scheint nun ein gegenläufiger Trend entstanden zu sein, nämlich hin zu einem bewussteren und sparsameren Umgang mit Wohnfläche.
Nachfrage nach Immobilien im Umland steigt
Vor Beginn der Corona-Pandemie und dem verstärkten Aufkommen des mobilen Arbeitens war der Megatrend Urbanität eine feste Größe. Viele Menschen, vor allem Jüngere, zog es in die Städte. In Ballungsräumen, wie zum Beispiel Berlin und München, wurde Wohnraum zunehmend knapper und auch teurer. Die Großstädte platzten aus allen Nähten. Wenn man jedoch die Ergebnisse dieser Umfrage zugrunde legt, könnte es mit dem Städteboom bald zu Ende sein. 60% der Umfrageteilnehmer gehen von einem zunehmenden, bzw. stark zunehmenden Zuzug ins Umland aus, vorausgesetzt, der Status des mobilen Arbeitens hält an. 32% der Befragten schätzen den Zuzug ins Umland gleichbleibend ein, wohingegen 8% diesen Trend für sinkend, bzw. stark sinkend erachten.
Bezahlbarer Wohnraum braucht flexibles Baurecht und Fördermittel
Nie war der Wohnungsmarkt so heiß umkämpft wie heute, nie war es so schwierig, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Auf dem Mietmarkt trifft eine steigende Nachfrage auf ein stagnierendes Angebot und gerade in den Ballungszentren nimmt das Wohnungsdefizit weiter zu. Gleichzeitig drängt der Käufermarkt auf den Mietmarkt, weil es kein Angebot gibt und sich dieses kaum noch ein Normalverdiener leisten kann. Abhilfe könnte hier nur zunehmender Neubau bringen. Doch dieser ist gehemmt durch hohe Finanzierungskosten, einen Mangel an Baugrundstücken und einen Baukräfte- und Materialmangel.
Doch welche Maßnahmen müssen nach Meinung der Befragten ergriffen werden, um hier Abhilfe zu schaffen? Ganz weit vorne mit 70% Zustimmung liegt hier die Flexibilisierung, Digitalisierung und Vereinheitlichung des Baurechts, dicht gefolgt von der Bereitstellung von Fördermitteln mit 65%. Das Forcieren von seriellem und modularem Bauen sehen 49% der Befragten als mögliche Maßnahme, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Steuerliche Erleichterungen kommen auf 41% Zustimmungswert, gefolgt von der Incentivierung von Krediten für bezahlbaren Wohnraum mit 37%, der Aktivierung von Bauland (28%), der Zurückstellung von Anforderungen an die energetische Sanierung (20%), der Ermöglichung von Sozialbindung auch für Bestandsimmobilien (17%), der Stärkung von Genossenschaften (12%) und einen stärkeren Fokus auf Hochhäuser in der Großstadt mit 11% Zustimmung.
Aber nicht nur die Immobilienwirtschaft ist in der Pflicht. Sicherlich müssen auch die Wohnungssuchenden in Zeiten des Wohnungsmangels bereit für Kompromisse sein. Daher haben wir über das Umfrage-Portal Civey ca. 5000 Personen befragt.
Das Ergebnis zeigt jedoch ein anderes Bild. Mit 46,2% ist die überwiegende Mehrheit der Befragten nicht bereit, Kompromisse einzugehen. 17,4% würden für bezahlbaren Wohnraum die Wohnfläche reduzieren, 11,3% eine weniger hochwertige Einrichtung akzeptieren und 5% sogar auf ein Zimmer verzichten. Eine schlechtere Lage wäre für 3,2% der Befragten ein möglicher Kompromiss, gefolgt von der Zahlung einer höheren Provision mit 1,3% und 1,2% der Befragten würde mehr Lärm akzeptieren, gefolgt von höheren Nebenkosten mit 0,3%. 14,1% der Befragten wissen nicht, ob und welche Kompromisse sie eingehen würden.
Auch wenn es schwerfällt, Kompromisse müssen aktuell gefunden werden, auch auf Seiten der potenziellen Mieter.
Wohn-Investmentmarkt geringfügig im Vorteil
Mehr als die Hälfte der Befragten (68%) sieht den Wohn-Investmentmarkt geringfügig bis stark im Vorteil gegenüber dem gewerblichen Immobilieninvestmentmarkt. Angesichts der starken Wohnungsnachfrage gerade in den Metropolen und der stark gestiegenen Mieten ist diese Aussage nicht verwunderlich. Gewohnt wird schließlich immer und anscheinend findet sich auch für teure Mietwohnungen immer ein Interessent. Der große Konkurrenzkampf auf dem Mietwohnmarkt macht das Investment in Wohnraum daher attraktiv.
15% sehen keinen Unterschied zum Gewerbe und 18% keinen Vorteil gegenüber dem gewerblichen Immobilieninvestmentmarkt.
Das "neue Normal": Kosten steigen, Renditen unter Druck
Die Immobilienbranche wird sich auf herausfordernde Zeiten einstellen müssen, das zeigt zumindest das Stimmungsbild der Befragten. 48% gehen davon aus, dass Grundstücks- und Gebäudekosten höher liegen werden und 39% gehen von erheblichem Druck auf die Renditen aus. 37% glauben, dass es im "neuen Normal" immer schwerer wird, an attraktive Immobilien zu gelangen und 29% gehen von signifikant weniger Immobilientransaktionen insgesamt aus. "Deutsche Immobilien werden weiterhin als "sicherer Hafen" besonders gefragt sein" vereint 19% Zustimmung auf sich, wohingegen "internationale Investoren werden deutlich weniger präsent sein" von 14% als Charakteristika des neuen Normal benannt wird.
Über das Berlin Hyp Trendbarometer:
Seit nunmehr neun Jahren veröffentlicht die Berlin Hyp die Expertenumfrage „Trendbarometer“. Immobilienfachleute aus dem In- und Ausland nehmen zu ihren Erwartungen für das kommende Immobilienjahr Stellung. Die Umfrage gibt eine Einschätzung des deutschen Immobilienmarkts im laufenden Immobilienjahr und eine Perspektive für die weitere Entwicklung. An der aktuellen Befragung haben nahezu 215 Immobilienfachleute teilgenommen.
Zur Gegenüberstellung der Aussagen in Bezug die Kompromissbereitschaft hinsichtlich bezahlbaren Wohnraums haben wir im März 2023 über das Umfragetool Civey 5.000 Personen befragt.
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