Ein Unternehmen der LBBW
Immobilienmarkt:
Alles im Fluss
Die bisherigen Einschränkungen in der Pandemie haben viel verändert, auch den Anspruch an Immobilien und deren Nutzung. Dies scheint sich mittlerweile bestätigt zu haben – und zwar mit Auswirkungen auf alle Assetklassen.
Neue Arbeitsmodelle transformieren den Büromarkt
Wie viel mobiles Arbeiten nach der Pandemie übrig bleibt, treibt nicht nur viele Unternehmen, sondern auch die Immobilienbranche um. Einige Arbeitgeber haben schon Fakten geschaffen und gemeinsam mit ihren Mitarbeitern für ihre Unternehmen sinnvolle und umsetzbare Lösungen ausgearbeitet, von denen beide Seiten profitieren. Für viele Angestellte dürfte es die Verbindung von Familie und Beruf deutlich erleichtern, wenn sie zumindest an einigen Tagen in der Woche nicht ins Büro pendeln müssen. Manche Unternehmen erhoffen sich Kostenersparnisse, wenn sie weniger Büroraum in den teuren Metropolen vorhalten müssen und andere, modernere, flächenintensivere Lösungen in die Tat umsetzen können.
Grundsätzlich muss dies aber nicht das „Aus“ für das Büro als Arbeitsraum bedeuten. Das Büro muss sich den geänderten Anforderungen anpassen. Letztendlich besteht nach wie vor ein großer Wunsch der Arbeitnehmer nach Austausch untereinander - und zwar direkt von Angesicht zu Angesicht. Gute Ideen entstehen häufig in der direkten Unterhaltung – in der Teeküche, am Kaffeeautomaten oder bei Flurgesprächen. Auch ist die Ausbildung von Mitarbeiter*innen und Nachwuchskräften im Homeoffice nur schwer vor- und darstellbar. Das Büro als kultureller Ankerpunkt des Unternehmens wird also bleiben und auch in Zukunft eine große Bedeutung haben, selbst wenn das mobile Arbeiten sich als Arbeitsmodell etabliert. Die Büros werden sich entsprechend der Nutzeranforderungen und des Nutzerverhaltens verändern: mehr gemeinschaftliche Arbeitsflächen und Begegnungszentren, mehr Flächen zum Austausch, weniger Individualarbeitsplätze beziehungsweise mehr Desk-Sharing. Der Anspruch an Service und Qualität wird steigen. Hochwertige Büros in guten Lagen werden unverändert eine erfolgreiche Assetklasse bleiben.
Strukturwandel in den Innenstädten wird sich fortsetzen – Einzelhandel als Erlebniswelt
In Deutschland ist seit Beginn der Pandemie das Bestellvolumen stetig gestiegen. Dies natürlich auch mit Auswirkungen auf den stationären Einzelhandel, der zusätzlich noch starke Umsatzeinbußen durch die geltenden Hygieneregeln hinnehmen musste. Viele Einzelhändler versuchen sich zu verkleinern, um die Mietbelastung zu verringern, nicht wenige mussten sogar ihr Ladenlokal schließen.
Die klassischen Fußgängerzonen in den Innenstädten müssen folglich Lücken verkraften und neue Konzepte zur Belebung der Einkaufsstraßen erarbeiten. Um gegenüber dem Online-Handel konkurrenzfähig bleiben zu können, muss der stationäre Einzelhandel neben der klassischen Warenpräsentation einen Mehrwert bieten. Hier sind die Möglichkeiten vielfältig: Click & Collect, Reparaturen, Personal-Shopping, Teststrecken für Fahrräder und Computeranalyse bei Sportschuhen sind nur einige Beispiele. Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Wichtig scheint nur zu sein, dass aus dem Einkauf im Ladengeschäft ein Erlebnis wird.
Zusätzliche Services und Dienstleistungen wie bspw. Click & Collect und Reparaturservice werden im stationären Einzelhandel wichtiger.
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"Beim Thema Einzelhandel kann man nicht alles über einen Kamm scheren. Hier muss man stark differenzieren und langfristige Entwicklungen im Blick haben", so Sascha Klaus, Vorstandsvorsitzender Berlin Hyp AG. "Bei den innerstädtischen Einkaufsstraßen und Einkaufszentren kommt allerdings der Brennglaseffekt der Pandemie zum Tragen. Es wird jetzt noch viel deutlicher sichtbar, unter welchem Druck das Modell steht. Dies bedeutet jedoch nicht das Aus für diese Konzepte. Der Bedarf nach einem klassischen Einkaufserlebnis, verbunden mit dem Anschauen, Anfassen und dem sofortigen 'Nach-Hause-Tragen' des Einkaufs wird nicht verschwinden."
Aber auch Mischnutzung könnte dazu beitragen, Einzelhandelsimmobilien krisenresilienter zu gestalten. Mixed-Use-Immobilien bündeln verschiedene Funktionen und Lebensbereiche auf engem Raum. Die gemischte Nutzung von Immobilien durch Wohnen, Arbeiten und Freizeit entspricht der modernen Stadtentwicklung. Mit der zunehmenden Digitalisierung und dem Umstieg auf mobiles Arbeiten wird sich die Nutzung von Büroflächen verändern. Der Wohnungsbau ist in Deutschland mit vielen Auflagen versehen und der Einzelhandel steht einem wachsenden E-Commerce gegenüber, was sich durch die Pandemie und die monatelangen Schließungen vieler Geschäfte noch verstärkt hat. Einseitig genutzte Immobilien können sich dadurch als wirtschaftlich ineffizient erweisen. Bei gemischt genutzten Immobilien wird das Objekt für verschiedene Zwecke rund um die Uhr genutzt und das Risiko gestreut. Die einzelnen Elemente unterliegen zwar weiter den Marktzyklen ihrer jeweiligen Nutzungsart, die Auswirkungen auf die gesamte Immobilie sind jedoch abgeschwächt. So bleiben Flächen immer attraktiv, können schneller vermietet werden und wirken Unterbrechungen des Cashflows durch deutlich kürzeren Leerstand entgegen.
Reine Einzelhandelsimmobilien wird es künftig kaum mehr geben? Handelsimmobilien sind mit wenigen Ausnahmen nur noch in Form gemischt genutzter Objekte zukunftsfähig?
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Logistik: Einkaufsverhalten der Deutschen stellt neue Anforderungen an innerstädtische Logistik - mehrgeschossige Logistik als nachhaltiger Ansatz
Die Nachfrage nach Logistikimmobilien ist bei den Investoren ungebrochen. Die Corona-Pandemie hat dem Online-Handel noch einmal einen Schub gegeben. Dies bedeutet ein enormes Paketaufkommen, das, um eine hohe Kundenzufriedenheit zu erreichen, ab Bestelleingang innerhalb von zwei bis drei Tagen zugestellt werden muss. Vorwiegend über die Straßen transportiert, führt dies zu einem rapiden Anstieg an Last-Mile-Logistik und einer Belastung der innerstädtischen Infrastruktur.
Sendungsvolumen und prognostizierte Entwicklung im deutschen KEP*-Markt
in Mio. (linke Skala). Veränderungsrate in % (rechte Skala). 2010 bis 2025. ab 2021 Prognose
Im Zuge der Umsetzung der Klimaziele Deutschlands und des Pariser Klimaabkommens werden voraussichtlich enorme regulative Herausforderungen auf die Logistikimmobilienbranche zukommen. Denn der Bau von Logistikobjekten ist aufgrund ihrer schieren Größe oft sehr flächen- und der Betrieb wiederum sehr energieintensiv. Den Energie- und Flächenbedarf dieser Assetklasse zu minimieren wird eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte sein. Moderne Logistikkonzepte wie mehrgeschossige Logistikhallen in innenstadtnahen Lagen können einen Beitrag dazu leisten, den Warenverkehr ressourcenschonender zu gestalten: weniger Flächenversiegelung, kürzere Transportwege, geringere Verkehrsbelastung und weniger Treibhausgasemissionen. Ein Umdenken bei den Logistikformaten ist dann denkbar, wenn über den Preismechanismus auf dem Immobilienmarkt das Signal kommt, dass Boden eine knappe und wertvolle Ressource ist. Ansonsten kann auch die Politik als Katalysator wirken, indem sie Flächenneuversiegelungen durch restriktivere Vergabe von Baugenehmigungen für Greenfield-Entwicklungen reduziert. Für Banken bietet die vertikale Logistik durchaus Vorteile.
"Aufgrund ihrer Bauweise ist sie ideal für eine gemischte Mieterschaft, die untereinander von Synergieeffekten profitieren kann. Für uns als finanzierende Bank ist dieses Modell weniger krisenanfällig als Single-Tenant-Objekte", so Teresa Dreo-Tempsch, Marktvorständin der Berlin Hyp. "Wir als Immobilienfinanzierer sehen uns in der Verantwortung, Anreize für Innovationen in der Branche zu liefern, die durch Flächenoptimierung, Verkürzung der Lieferwege oder Gebäudetransformation einen Beitrag zur Nachhaltigkeit liefern."
Wohnen als Grundbedürfnis: Gewinner der Krise – aber bezahlbarer Wohnraum Mangelware
Die Assetklasse Wohnen zeigt sich unbeeindruckt von der Krise. Die von der Bundesregierung initiierten Stützungsmaßnahmen und das Kurzarbeitergeld haben große Ausfälle bei den Mieteinnahmen verhindern können. Gewohnt wird immer.
Das Verschmelzen von Arbeit und Freizeit, welches durch die zunehmende Nutzung des mobilen Arbeitens forciert wird, führt auch im Bereich des Wohnens zu einer Bedürfnisveränderung. Viele Arbeitnehmer wünschen sich ein zusätzliches Arbeitszimmer, um ungestört arbeiten zu können. Und manch einer möchte sich nun den Traum vom Landleben erfüllen, da er nicht mehr jeden Tag ins Büro fahren muss. Da der Wohnraum in den Städten immer teurer wird, ist der ländliche Raum gerade für junge Familien eine bezahlbare Option.
Nichtsdestotrotz steigen die Mieten in den Städten, bezahlbarer Wohnraum ist rar. Folglich können sich viele Menschen einen Umzug in größere Wohnungen schlichtweg nicht leisten, bleiben in ihrer angestammten kleineren Wohnung und arrangieren sich mit den Umständen. Auf der anderen Seite macht es für ältere, alleinstehende Menschen keinen Sinn, ihre große Familienwohnung aufzugeben und sich eine kleinere zu suchen, da sie dies in vielen Fällen teurer kommt. Eine Abhilfe könnte hier nur zunehmender Neubau bringen. Doch dieser ist gehemmt durch einen Mangel an Baugrundstücken, lange behördliche Bearbeitungszeiten und einem Baukräfte- und Materialmangel.
Bezahlbarer Wohnraum ist natürlich auch ein Thema, wenn es um die Umsetzung von ESG geht. Schätzungsweise ein Drittel der globalen CO₂-Emissonen sind unmittelbar oder mittelbar Gebäuden und deren Betrieb zuzurechnen. So ist der Hebel hier also besonders groß, vor allem im Bereich der Bestandsimmobilien - Neubauten befinden sich ohnehin auf einem hohen energetischen Niveau. Jedoch hat der Neubau durch die Produktion einen nicht unerheblichen CO₂-Fußabdruck. Deshalb kann Neubau alleine nicht die Lösung sein.
Allerdings dauert es gerade im Bereich der Bestandsimmobilien sehr lange, bis die getroffenen Maßnahmen in der Breite Wirkung entfalten. Der Umbau und die Umstellung auf emissionsarme oder gar emissionsfreie Energie ist aufwendig und kostenintensiv. Oftmals müssen langwierige Verhandlungen mit Mietern geführt werden und die Frage der Umlagefähigkeit bietet viel Raum für Diskussionen. Hier müssen Lösungen gefunden werden, die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden sozialverträglich zu gestalten. Auch Menschen mit geringerem Einkommen müssen sich eine sanierte Wohnung leisten können. Nachhaltigkeit macht eben nur dann Sinn, wenn sie bezahlbar ist und kein Luxus für einige wenige. Eine große Aufgabe, die nur im Konsens mit allen Akteuren gemeistert werden kann.
Um eine leichtere Lesbarkeit zu ermöglichen, wird
– wie überwiegend üblich – die männliche Form verwendet,
wobei selbstverständlich alle Geschlechter einbezogen sind.